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Revealed: Hans-Christof Kraus – Verbandelt im völkischen Lebensbund

Im Juni 2022 machte der “Antifaschistische Infoticker für Passau & Umgebung” publik, dass der Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau, Dr. Hans-Christof Kraus, tief in extrem rechte Netzwerke verstrickt ist. Die vom lokalen AStA/Sprecher:innenrat aufgegriffene Veröffentlichung hat in der lokalen Medienlandschaft hohe Wellen geschlagen, sodass schlussendlich der Universitätspräsident Ulrich Bartosch höchstpersönlich meinte, die Diskussion um Kraus Netzwerke per Schlussstrich-Dekret für beendet erklären zu müssen. Damit wollen wir uns aber selbstverständlich nicht zufrieden geben und im Folgenden die Affäre Revue passieren lassen, sowie die Frage beantworten: bestehen wirklich “keine Zweifel” an Kraus’ Verfassungstreue, wie die Universität beinahe mantraartig wiederholt? Oder hat sich mittlerweile nicht eher der Verdacht erhärtet, dass es sich bei Dr. Hans-Christof Kraus um ein jahrzehntelanges Mitglied faschistischer Kreise handelt?

Doch der Reihe nach: Was ist eigentlich nach der Veröffentlichung der Rechercheergebnisse des “Infotickers” passiert?

Am 12.07.2022 veröffentlichte der AStA/Sprecher:innenrat eine Stellungnahme auf dem universitätseigenen Campusblog, die zwei Tage später auch von der lokalen Presse aufgegriffen wurde. Darin zeigten sich die Mitglieder des AStA entsetzt über die Rechercheergebnisse des Infotickers und forderten die Universität zu einer Stellungnahme auf. Diese Stellungnahme der Unileitung war ebenfalls Teil des PNP-Artikels vom 14.07.2022 und fiel erwartungsgemäß ziemlich ernüchternd aus: man werde die Vorwürfe in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Kraus sorgfältig prüfen, bislang bestünden aber keine Zweifel an dessen Verfassungstreue. Kraus selbst kam ebenfalls zu Wort und durfte sich als missverstandener Konservativer inszenieren, der unverschuldet Opfer einer linken Hetzkampagne wurde. Er verstieg sich sogar zu der Aussage, er sei “niemals Mitglied einer Studentenverbindung” gewesen – ein folgenschwerer Fehler, wie sich später noch zeigen wird.

In den folgenden Tagen und Wochen fanden sich sowohl in der Leserbrief-Ecke der PNP als auch online mehrere Solidaritätsbekundungen mit Prof. Dr. Kraus. Was auf den ersten Blick wie Wortmeldungen um die Meinungsfreiheit besorgter Bürger:innen aussehen mochte, entpuppte sich schnell als rechte Kampagne: unter den Unterstützer:innen von Kraus fanden sich Autor:innen der “Jungen Freiheit” oder des extrem rechten “Institus für Staatspolitik” und dessen Verlagsprogramm “Antaios” ebenso wie Mitglieder des “Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit” – ein akademisches Netzwerk, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, von einer angeblich linken “Cancel Culture” bedrohten Universitätsangehörigen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dem „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ gehören übrigens neun in Passau tätige Professor:innen an – darunter Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig, die als Mitglied des Vorstands Unterstützungsgesuche prüft.

Die Universität Passau meldete sich zunächst nicht noch einmal zu Wort und ging stattdessen dazu über, hausintern Druck auf die Studierendenvertretung auszuüben. Sowohl Vertreter*innen des AStAs als auch des StuPas und des Senats wurden mehrmals zu persönlichen Gesprächen vorgeladen, wie aus den Reihen der Studierendenvertretung zuvernehmen war. Dabei war von Einsicht oder gar Bedauern seitens der Universitätsleitung keine Spur, vielmehr wurden die engagierten Studierenden, die sich gegen Rechtsextremismus an der Uni eingesetzt und den Sachverhalt – die Verbindungen von Kraus in die extreme Rechte sind seit den 90ern bekannt, jedoch nie an der Universität thematisiert worden – an die Öffentlichkeit gebracht hatten, massiv angegangen und eingeschüchtert.

Und so verwundert es kaum, dass Ende Oktober 2022 der Universitätspräsident Prof. Dr. Ulrich Bartosch die Affäre in einer Pressemitteilung – scheinbar ohne die groß angekündigte eingehende Prüfung des Sachverhalts –  höchstpersönlich für beendet erklärte. Es „bestand zu keinem Zeitpunkt Anlass, an der Verfassungstreue des attackierten Kollegen zu zweifeln“, so Bartosch.

Nun, darüber wird noch zu reden sein.

Wir als, als Kampagne, die Faschist:innen aller Couleur und insbesondere Korporierte gerne aus der Deckung holt, lassen uns selbstverständlich nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Unipräsidenten den Mund verbieten. Wann unsere Auseinandersetzung mit der extremen Rechten beendet ist, entscheiden immer noch wir selbst. Und deshalb haben wir es uns auch nicht nehmen lassen, weitere Recherchen über Kraus anzustellen. Und siehe da: in der Ausgabe von Juni 1992 der „Blätter der Deutschen Gildenschaft“ (Verbandszeitung der völkisch-nationalistischen Deutschen Gildenschaft) findet sich auf Seite 84 folgende Glückwunschannonce:

Bildbeschreibung: Ausgabe der „Blätter der deutschen Gildenschaft“ von Juni 1992, auf Seite 84 ist ganz unten zu lesen: „Zum Doktor phil. Hans-Christoph Kraus (Trutzburg), Promotion summa cum laude in Geschichte mit einer Arbeit über E. L. von Gerlach“

Solche Anzeigen zum erfolgreichen Bestehen der Promotion werden nicht für jedermann geschaltet, sondern nur für Menschen, die in enger Verbindung mit der „Deutschen Gildenschaft“ stehen. Und das „Trutzburg“ in Klammern hinter Kraus‘ Namen verrät uns auch, um welche Verbindung es sich hierbei handelt: Wie es aussieht, war Hans-Christof Kraus mindestens zu dieser Zeit Mitglied der „Deutschen Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen“.

Die „Deutsche Gildenschaft“ (DG) gilt neben der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) als zweiter extrem rechts dominierter, aber weitestgehend unbekannter verbindungsstudentischer Dachverband im deutschsprachigen Raum. Deren Mitgliedsbünde nennen sich „Deutsche Hochschulgilden“ (DHG) und wirken extrem konspirativ, ohne je wirklich in die Öffentlichkeit zu treten. Die DG hat ihre Wurzeln in der bündischen Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In ihrer programmatischen Salzburger Erklärung von 1992 verlangt sie die Wahrung nationaler Identität und kritisiert einen »Mangel an nationalem Empfinden«. Sie fordert »die tatkräftige Unterstützung des deutschen Volkstums«, Volksgruppenrechte für Deutsche in Osteuropa und ein »Europa der Völker und Volksgruppen«. Die Politische Ausrichtung der DG (in ihrer heutigen Form gegründet um 1958) wird dem völkischen Nationalismus zugeschrieben. Diverse Führungsmitglieder der „Neuen Rechten“ sollen einen gildenschaftlichen Hintergrund haben: z.B. Dieter Stein (Leiter der Wochenzeitung Junge Freiheit), Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann (Gründer des Instituts für Staatspolitik (IfS) und des Verlages Edition Antaios). Kubitschek selbst war bis 2002 Aktivensprecher der DG.

Fest steht also: wir haben es hier mit einer konspirativ agierenden, völkisch-nationalistischen Verbindung zu tun, die in den vergangenen Jahren allerhand extrem rechte Kader hervorgebracht hat – und Kraus ist oder war ein Teil davon. Laut eigenen Angaben ist die „Deutsche Gildenschaft“ darüber hinaus „nach dem Grundsatz des Lebensbundes“ aufgebaut, was zumindest theoretisch bedeutet „einmal Mitglied, immer Mitglied“.

Fassen wir also zusammen: Der Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neuste Geschichte an der Universität Passau, Prof. Dr. Hans-Christof Kraus, ist nicht nur eng in ein neurechtes Netzwerk verstrickt – das entgegen seiner Beteuerungen nicht nur konservativ, sondern schlicht neofaschistisch ist – sondern ist oder war allem Anschein nach darüber hinaus auch Mitglied in einer, auf lebenslange Mitgliedschaft angelegten, völkisch-nationalistischen Studentenverbindung. Diese Tatsache hat er nicht nur verschwiegen, sondern öffentlich geleugnet (wir erinnern uns: „niemals Mitglied einer Studentenverbindung gewesen“).

Unser Fazit mag für einige überraschend klingen, aber: Diese neue Erkenntnis ändert für uns nicht viel. Sie bestärkt uns lediglich in unserer Einschätzung von Kraus als Intellektuellen der extremen Rechten, der zu klug ist, sich zu eindeutigen Parolen hinreißen zu lassen, ideologisch aber kaum anders zu verorten ist als der IB-Aktivist nebenan. Die viel spannendere Frage ist, ob sich die Universität Passau als seine Dienstherrin durch diesen Beweis schwarz auf weiß zu einem eindeutigeren Statement ermutigt fühlt, endlich anfängt wirksame Strategien gegen Rechtsextremismus auf dem Campus zu entwickeln und die Sorgen ihrer Studierenden ernstzunehmen. Kraus selber scheint zwischenzeitlich keinerlei Skrupel zu haben, seine Verbindungen in die (unstrittig) extrem rechte Autor:innen-Szene fortzuführen: Im Ares Verlag (Verlag für rechtskonservative bis rechtsextreme Literatur aus Graz), der bekannte Vordenker der Neuen Rechten, wie Alain de Benoist, unter den Autor:innen führt, erschien im Dezember 2022 der Sammelband „Europa und das Reich“. Herausgegeben wird dieser vom Verlagseigentümer Wolfgang Dvorak-Stocker. Beiträge steuerten zahlreiche Autoren der extremen Rechten, wie Felix Dirsch, Karl Richter, Barbara Rosenkranz, Philip Stein, Benedikt Kaiser – und wie so häufig, Univ.-Prof. Dr. Hans-Kristof Kraus, bei.

Doch egal wie sich die Uni angesichts der neuesten Entwicklungen entscheidet, ob sie beginnt, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen oder lieber weiter alles totschweigt und auf Kraus Emeritierung im Herbst 2023 wartet –  auf unsere Arbeit hat das keinen Einfluss. Wir werden weiterhin Neofaschist:innen aus der Deckung holen und ihnen das Leben schwer machen – ob mit oder ohne Unterstützung staatlicher Stellen und Segen der Universitätsleitung.

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