1. Nach Schädelspalter-Duell in Erlangen – Diskussion um Mensurverbot
Am 10. Februar wurden in Erlangen „zwei Teilnehmer an einer Fechtveranstaltung in einer Erlanger Studentenverbindung“ mit „mittelschweren Verletzungen“ in eine Klinik eingeliefert. Die Rettungsleitstelle hatte die Polizei informiert, „nachdem eine Person mit einer stark blutenden Kopfverletzung in den Räumlichkeiten einer Erlanger Burschenschaft versorgt werden musste“. Offenbar wurde ein Teil der Schädeldecke abgespalten, woraufhin die Polizei Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung einleitete. Der illegale Ehrenhandel (eine dreigliedrige „Pro Patria-Suite“) zwischen der „Burschenschaft Germania“ im „Süddeutsche Kartell“ und der „Turnerschaft Munichia Bayreuth“ im „Coburger Convent“ fand auf dem Haus der „Germania“ in Erlangen statt.
Aus dem Vorfall und einer großartigen Recherche der Autonomen Antifa Freiburg, die Einblick in interne Chats der Burschenschaft gibt, entbrannte eine Debatte um möglicherweise drohende Mensurverbote in der korporierten Szene und ein Diskurs um studentische Mensuren, der es bis in den bayerischen Landtag schaffte. Die Autonome Antifa Freiburg publizierte inzwischen ebenfalls einen Pressespiegel zu den bisherigen Ereignissen und der medialen sowie rechtlichen Diskussion.
#notallmensuren schallt es nun aus dem korporativen Lager, denn anders als bei der illegalen „Pro Patria-Suite“ werden die meisten Arten von Mensuren beim akademischen Fechten mit Schutzkleidung gefochten. Außerdem wird versucht zu beruhigen, dass es sich dabei doch im Grunde um eine harmlose Variante von Kampfsport handle – mit strengem Reglement, Schutzausrüstung und der freiwilligen Teilnahme aller Beteiligten. Doch beim akademischen Fechten handelt es sich mitnichten nur um harmlosen sportlichen Wettkampf. Das waffenstudentische Verbindungswesen pflegt die archaischen Rituale als Teil burschenschaftlicher Erziehung zur Wehrhaftigkeit, zum Beweis von Charakterstärke und Unerschrockenheit und – im deutschnationalen Lager der Korporationen – Geeignetheit für den Kampf fürs Vaterland.

2. Pflichtschlagende Passauer Burschenschaften und Schülerschaften
Auch in Passau und der Region existieren sogenannte pflichtschlagende Burschenschaften, also solche, wo erst das erfolgreiche Absolvieren von Mensuren die Anwerber qualifiziert Mitglieder in den männerbündischen Lebensbünden zu werden. Die Mensur, also der Fechtkampf im Zuge derer es häufig zu den als „Schmiss“ bekannten Wunden im Gesicht der Burschenschafter kommt, sollen dabei Ausdruck der Wehrhaftigkeit, Stärke, Unerschrockenheit und Standhaftigkeit der Männer sein. Mensuren sind in der BRD grundsätzlich legal, jedenfalls solange passende Schutzkleidung getragen wird und es sich nicht um Ehrenduelle handelt, bei denen mit besonders scharfen Waffen und ohne Schutzausrüstung gekämpft wird. In der Praxis jedoch, obliegt es der jeweiligen Korporation selber die Regeln des akademischen Fechtens bei den oft konspirativ organisierten Kämpfen einzuhalten. Sogenannte Paukärzte, also medizinisch ausgebildete Verbindungsmitglieder, die bei der Mensur anwesend sind, versorgen die Schnittwunden und Verletzungen im Nachgang vor Ort, so, dass die Folgen der Kämpfe mit den scharfen Waffen in der Regel nicht in Krankenhäusern oder bei Behörden aktenkundig werden.
Besonders gruselig wird es jedoch, wenn es sich bei den pflichtschlagenden Verbindungen um Schülerschaften (also eine burschenschaftliche Verbindung für Schüler) handelt. Hier sind es vor allem die Schülerschaften der extremen Rechten bzw. aus dem deutschnationalen und völkisch-nationalistischen Lager, die Wert auf eine blutige Mensur als archaisches Ritual legen.
Neben der Kulturpflege stellt die Ausbildung zur Wehrhaftigkeit einen Eckpfeiler burschenschaftlicher Erziehung dar. Diese Befähigung zur und Prüfung der Wehrhaftigkeit drückt sich zum einen durch das Fechten in den pflichtschlagenden Verbindungen aus, geht jedoch darüber hinaus. John Hoewer, zeitweiliger „Verbandsobmann für Nachwuchswerbung und Sport“ des extrem rechten Dachverbandes „Deutsche Burschenschaft“ erklärt in einem DB-Imagevideo, welches die pflichtschlagende Passauer Burschenschaft Markomannia in ihrem YouTube-Kanal zur Eigenwerbung nutzte:
„Burschenschaftliche Weltanschauung und gesamtheitliche Erziehung sind ohne Wehrhaftigkeit überhaupt nicht denkbar. Deswegen wird sich auch in der DB sportlich betätigt um neben der geistigen Erziehung auch für physische Erziehung zu sorgen. Ganz zentraler Aspekt ist das natürlich das akademische Fechten […] weiterhin betreiben viele Verbandsbrüder und Burschenschaften gemeinsam Sport, zum Beispiel Kampfsport.“(DB-Imagevideo1: Min 9:09)

Bild 2: So stellen sich die schlagenden Burschenschaften der DB auf Social Media gerne selbst dar.
Vertreter jener deutschnationalen und pflichtschlagenden akademischen Männerbünde gibt es auch in und um Passau. Obwohl nicht alle im rechtsextremen Dachverband der „Deutschen Burschenschaft“ eingebunden sind, teilen sich die Rechtaussen-Verbindungen in der Region die Einstellung zur Bedeutung der Mensur als burschenschaftliches Ritual und grundlegendes Element der Erziehung. So beispielsweise die pflichtschlagende waffenstudentische Schärdinger Schülerschaft „pB! Scardonia Schärding“. Der Männerbund ist wie für Korporationen typisch in Aktivitas (Gymnasialschüler aus dem Innviertel und Anwärter/Füchse) und „Alte Herren“ gegliedert. Im Verbindungshaus der extrem rechten Sardonia in Schärding ist das Büro der lokalen FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) angesiedelt und auch zu Passauer Burschenschaften besteht ein Näheverhältnis.
Auf dem Tumblr-Blog der pB! Scardonia schreibt der Schärdinger Korporationsmaler und Scardone Manfred „Odin“ Wiesinger über das burschenschaftliche Fechten: „Junge Männer wollen „laut sein, raufen und sich beweisen. Leider lässt dies der ‚pädagogisch und politisch‘ korrekte Erziehungsapparat von heute nicht mehr zu. Jungs werden in Watte gepackt, harmonisiert und verweichlicht. […] Als schlagende Verbindung bekennen wir uns zum Prinzip der Pflichtmensur. […] Für die Verbindung und ihre Mitglieder bildet die Mensur gleich mehrere Eckpfeiler, wie Erziehung der Jugend, Selektion, Geschlossenheit, Unterscheidung und Tradition.“

3. Waffenstudentische Elite: Die Passauer Burschenschaft Markomannia Wien
Im Januar 2017 postete die rechtsextreme Passauer Burschenschaft Markomannia Wien auf Facebook das Bild eines blutüberströmten Degens auf einem Tisch in ihrem Deggendorfer Verbindungshaus und kommentiert dies mit den martialischen Hashtags „#blutundeisen #reichsgründungsmensur“. Weitere Berichte ihrer, als Aufnahmeritual gefochtenen, Mensuren werden mit der Liederzeile „Student sein, wenn die Hiebe fallen im scharfen Gang, der selbst gewählt, im blut‘gen Aneinanderprallen der Mut sich für das Leben stählt.“ heroisch inszeniert.
Die akademische Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf war eine bis 2021 in Deggendorf und bis 2020 in Passau ansässige, pflichtschlagende Studentenverbindung. Der hierarchisch-autoritär strukturierte Männerbund mit Lebensbundprinzip versteht sich als bekennender Teil der bereits erwähnten rechtsextremen „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ innerhalb der „Deutschen Burschenschaft“ (Dachverband) und somit als explizit politisch ausgerichtete akademische Verbindung mit der Aufgabe der Einflussnahme und Partizipation am politischen Geschehen. Unter dem burschenschaftlichen Credo „Ehre – Freiheit – Vaterland“ bestimmen verschiedene Eckpfeiler (wie das Selbstverständnis als „weiße Burschenschaft“) der ideologischen und politischen burschenschaftlichen Erziehung die Aktivitäten der B! Markomannia Wien. Teil dieser gesamtheitlichen Sozialisation in der Burschenschaft ist die Erziehung zur praktischen Wehrhaftigkeit durch Fecht- und Kampfsport. Das übergeordnete Ziel: Die Bewahrung und Verteidigung Deutschlands gegen jegliche (ideologische und materielle) Bedrohung. Der, laut Satzung der Deutschen Burschenschaft, völkisch also biologistisch und rechtsnational interpretierte Heimat- / Vaterlandsbegriff bestimmt die Ausrichtung der politischen Einflussnahme der Burschenschafter. Die Befähigung der Burschenschafter zur Wahrnehmung des national-politischen Auftrags beinhaltet die Förderung zur Wahrnehmung von Ämtern & Funktionen parteipolitischer Arbeit und auf der Ebene der „vorpolitischer“ Organisationen der „Neuen Rechten“ sowie die Befähigung und Erziehung zur Wehrhaftigkeit, welche sich im Fechtsport und den Mensuren der pflichtschlagenden Verbindungen beweisen soll.

Im gemeinschaftlichen Verbindungsleben und den medialen Selbstdarstellungen der Burschenschaft Markomannia Wien drückt sich weiterhin das besondere Selbstverständnis der Verbindung als waffenstudentische Elite aus. Dieses ergibt sich aus der Tradition der Markomannia als „weiße Burschenschaft“. Im Jahr 1919 gründete sich aus diversen Burschenschaften der sogenannte „Weiße Kreis“ innerhalb der Deutschen Burschenschaft, in dem sich bis zu seiner Suspendierung 1961 sogenannte „weißer“ Burschenschaften zusammenschlossen. Die Besonderheit des Weißen Kreises bestand in der „mit Nachdruck [betonten] korporative[n] Eigenart der waffenstudentischen Aufgaben der Einzelburschenschaften sowie die Wahrung der überlieferten Formen eines straff geknüpften Gemeinschaftslebens.“. Die Prinzipien des weißen Kreises beinhalten die Verortung der Mitgliedsburschenschaften als: „In der Tradition der Urburschenschaft von 1815 stehend, dem germanistischen Prinzip verpflichtet (somit ist der Weiße Kreis auch Träger des volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs), pflichtschlagend, mit starker Betonung der Einzelkorporation, […] das Bekenntnis zur Elite bzw. den Ansporn zum Bessersein als andere, das Bekenntnis zur deutschen Kultur sowie die Achtung und Aufgabe in der gesellschaftlichen Stellung“. (Siehe: Markomannia Reader)
Das pflichtschlagende Prinzip setzt sich bei der Markomannia in der Praxis verbindungstypisch durch Fechtstunden, „Paukkneipen“ und gemeinschaftlichen Treffen mit anderen Burschenschaften zu „Fechtkneipen“ um, sowie in der Mensur als verpflichtende Prüfung zur Aufnahme in den Vollmitgliedschaftsstatus. Und entgegen sämtlicher öffentlicher Beteuerungen und Verharmlosungen aus Reihen von Korporationen, wonach die Fechtduelle im Grunde völlig harmlos seien, durfte auch die Markomannia bereits Bekanntschaft mit dem Erlanger-Schädelspalter-Ritus machen. Im Sommer 2017 traf sich die Passauer Markomannia mit der ebenfalls rechtsextremen Erlanger Burschenschaft Frankonia zu einem Fechtkampf. Ein Markomanne erlitt dabei eine so starke Kopfverletzung, als ihm ein Teil der Kopfhaut herausgeschlagen wurde, dass dieser gleich einige Tage im Erlanger Uniklinikum verbringen musste.
Auch der wohl bekannteste Markomanne, Otto Skorzeny (*1908 in Wien; † 1975 in Madrid; Offizier der Waffen-SS, zuletzt im Rang eines SS-Obersturmbannführers) erhielt von den Amerikanern den Übernamen „Scarface“ aufgrund der langen Schnittverletzungen auf der Wange und seines verstümmelten Ohres. Diese hatten ihm die Mensuren für die Markomannia Wien eingehandelt (Bild 5).

4. Die Passauer Wurzeln der pennalen Burschenschaft Saxonia Dresden
Über viele Jahre galt als Gesicht der Markomannia der Passauer Jurastudent Alexander Salomon. Der hatte, bevor er nach Passau kam, bereits eine politische Karriere bei der NPD, AfD und JA in Brandenburg hinter sich und schloss sich während seines Studiums in Niederbayern der Markomannia an. Auch die Strukturaufbauarbeiten und Rückkehrbestrebungen der rechtsextremen Burschenschaft in der Universitätsstadt Passau, wo die Burschenschaft bis ca. 2003 noch mit eigenem Haus ansässig gewesen war, dürften maßgeblich von Salomon vorangetrieben worden sein. Der Plan sich erneut in Passau anzusiedeln scheiterte nach antifaschistischen Interventionen und auch das Verbindungshaus in Deggendorf musste die Burschenschaft 2021 endgültig aufgeben. Alexander Salomon, inzwischen weniger Parteiaktivist und leidenschaftlicher Burschenschafter, zog schließlich für sein Referendariat nach Sachsen. In Dresden baute der Markomanne schließlich mit weiteren Burschenschaftern eine – vermutlich ebenso extrem rechte – neue Schülerschaft auf.
Die „Pennale Burschenschaft Saxonia Dresden“ (pB! Saxonia Dresden) verfügt nach eigenen Angaben über eigene Räumlichkeiten in Dresden und kann sich über fehlende Anwärter nicht beklagen. Auf Instagram wirbt die Schülerschaft: „Du bist Student oder Schüler in Dresden und Umgebung und suchst ein Umfeld abseits des politisch-korrekten Schulalltags? Dann schreib uns!“. Ihre Couleurbandfaben, Schwarz Weiß Gelb, weisen vermutlich nicht nur zufällig eine große Ähnlichkeit zu denen der Markomannia auf (Schwarz Weiß Gold).
Im Sommer 2022 ließ sich die Schülerverbindung „pennale Burschenschaft Saxonia in Dresden“ vom extrem rechten Dachverband „Allgemeiner Pennälerring“ (APR) aufnehmen.
Schon im Februar desselben Jahres waren Korporierte der pB! Saxonia Dresden an der Gedenkveranstaltung zur Bombardierung Dresdens am 13.02. am Gedenken der Jungen Alternative auf dem Alten Annenfriedhof beteiligt, wo sich auch die Kameradschaft Werra Elbflorenz einfand. Im Anschluss nahm man, Berichten zufolge, geschlossen am 13.Februar-Aufmarsch teil.
Auf welcher Seite außerhalb des „politisch-korrekten Schulalltags“ sich die Saxonia Dresden positioniert, dürfte somit wohl klar sein. Auf Instagram zeigt die schlagende, extrem rechte Schülerschaft mit eigener Bude in Dresden und Wurzeln in Passau regelmäßig Bilder blutiger Fechtkämpfe. Mal mit und manchmal offensichtlich ohne die erforderliche Schutzkleidung werden die waffenstudentischen Rituale und Wundmale stolz präsentiert.

5. Ein Passauer Student duelliert sich durch die extreme Rechte
Ein weiterer Passauer Jurastudent, der sich als Markomanne und rechtsextremer Aktivist einen Namen machte, ist Tobias Lipski. Lipski wurde im Sommer 2013 Bundeswehrsoldat und verpflichtete sich später als Offiziersanwärter für 14 Jahre bei der Bundeswehr. Im Mai 2017 wurde er wegen rechtsradikaler Gesinnung und Aktivitäten aus der Bundeswehr geworfen. Ihm wurde vorgeworfen, im Dezember 2016 „an einem Treffen ehemaliger SS-Offiziere in Estland“ teilgenommen, rechtsradikale Hetze verbreitet, mehrere Veranstaltungen der „Identitären Bewegung Deutschland“ besucht und selbst für die IB referiert zu haben.
Nach dem abrupten Ende seiner Bundeswehrkarriere kam Lipski nach Passau, schrieb sich an der Uni ein und trat der Burschenschaft Markomannia bei. Diese verließ er jedoch rund drei Jahre später und schloss sich der Münchner Burschenschaft Danubia (Deutsche Burschenschaft) an. Die rechtsextreme Burschenschaft ist für ihre Duellierfreude – auch ohne Schutzkleidung – bekannt. Nur selten trifft man die Danuben ohne frische Schnitte im Gesicht oder turbanähnliche Kopfverbände.

In ihrem Instagram-Imagevideo feiert die Burschenschaft Danubia ihre Wehrhaftigkeit und soldatische Werte mit diversen Schlagworten und blutigen Mensurbildern. Konkret müssen Mitglieder in der Regel „Bestimmungsmensuren“ austragen, also Fechtkämpfe zur „charakterfestigenden Wirkung“. Darüber hinaus werden in der extremen Rechten des burschenschaftlichen Lagers auch immer noch illegale Ehrenhändel ausgetragen, oft in Form sogenannter „Pro Patria-Suiten“. Aufgrund von Schutzmaßnahmen wie rüstungsartigen Gesichtsmasken führen „Bestimmungsmensuren“ mittlerweile nicht mehr lebensgefährlichen Verletzungen – jedoch durchaus zu schweren Wunden. Beispielsweise wurde der Danube Pierre Louis Klotz bei einer „Bestimmungsmensur“ am 14. Mai 2022 von seinem Kontrahenten von der Münchener Burschenschaft Sudetia skalpiert. Der Sudete schlug dem Danuben mit einer scharfen Klinge ein großes Stück Kopfhaut ab, woraufhin Klotz das „Scherzel“ im Krankenhaus wieder angenäht werden musste. Bei einer „Partie“ zwischen Lipski und dem Mitglied der „Saxo-Silesia“ Aaron Kimmig am 8. Juli 2022 in Freiburg fungierte Klotz als Lipskis „Sekundant“, unter seinem Schutzhelm trug er einen dicken, weißen Kopfverband (Bilder: Autonome Antifa Freiburg).

Angeschlossen an die Münchner Burschenschaft Danubia und im selben Haus in München ansässig ist die Schülerschaft Saxonia Czernowitz. Zahlreiche Aktivisten der Identitären Bewegung und Akteure der extremen Rechten sind – teils überschneidend – in beiden akademischen Bünden aktiv.
Der ehemalige Passauer Markomanne und jetzt Münchner Danube Tobias Lipski jedoch, entstammt nicht der Kaderschmide der Schülerschaft Saxonia Czernowitz. Lipski trat stattdessen bereits als Mitglied einer mindestens ebenso rechtsextremen und pflichtschlagenden Passauer Schülerschaft auf.
6. Pflichtschlagende Passauer Nazischülerschaft mit Posten im Bayerischen Landtag
Im Dezember 2010 warben die Münchner Schülerverbindung „Burschenschaft Saxonia“ und die „Burschenschaft Normannia Winterberg“ aus Passau in der neonazistischen Zeitschrift „Zuerst!“ um Schüler: „Bist du Deutscher? Bist Du auf einem Gymnasium im Raum München oder Passau? Willst Du Kneipen und Budenfeten erleben? Bist Du bereit, eine Mensur zu schlagen? (…) Dann komm zu unserer Schüler-Burschenschaft in München oder Passau!“ heißt es in der mit „DEUTSCH. WAHR. TREU.“ untertitelten Anzeige.

Die 1906 gegründete „pennale Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau“ wurde knapp ein Jahrhundert später und nach einigen Jahren der Inaktivität im September 2007 unter Federführung des Passauer NPD-Kreisvorsitzenden Stephan Mühlberger (Senior) und des Passauer NPD-Führers Günther Resch (beide ebenfalls „Nationales Forum Passau“) reaktiviert. Nach anfänglicher Aufmerksamkeit und Warnungen vor der neuen pflichtschlagenden „NPD“-Burschenschaft, die wohl als parteipolitisches Rekrutierungsbecken fungieren sollte, legte sich die Aufmerksamkeit für den bis heute aktiven rechtsextremen Schülerbund jedoch wieder. Unter dem rund ein Dutzend Mitglieder finden sich hauptsächlich Funktionäre und Anhänger rechtsextremer Organisationen und Parteien.
Über sich selbst schreiben die Normannen auf ihrer Website ganz unverblümt: „Zweck der Verbindung ist die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit, Zusammenschluss der studierenden Jugend, körperliche und geistige Ertüchtigung der Bundesbrüder und gesellschaftliche Betätigung. Als schlagender Bund ist für uns das Fechten selbstverständlich. Es ist für uns ein wichtiger Aspekt der Persönlichkeitsbildung und wird eifrig betrieben. […]“

Als Sprecher der Schülerkorporation, die einst plante in der Dreiflüssestadt eine rechtsextreme Nachwuchselite aufzubauen, fungierte noch im Jahr 2014 der damals fraktionslose Passauer Stadtrat Oskar Atzinger. Der ex-Republikaner mit engsten Verbindungen in die bayerische extreme Rechte sitzt inzwischen für die AfD im Passauer Kreisrat und im Landtag Bayern.
Seine Mitgliedschaft in der NPD-Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau führt der AfD-Abgeordnete, ex-Soldat und Zahnarzt bis heute in seinem Profil auf der Website des Bayerischen Landtags. Nach seiner zunächst erfolglosen Kandidatur im Landtagswahlkampf 2018 rutschte Oskar Atzinger im März 2022 in das Parlament nach, nachdem der AfD-Abgeordnete Josef Seidl (Dingolfing-Landau) verstorben war.
Atzinger bekleidet seitdem Sitze im Ausschuss für Bildung und Kultus des Landtags Bayern und im Landesbeirat für Erwachsenenbildung. Anfang 2023 plante der rechtsextreme Burschenschafter gar, sich zum neuen Vorsitzenden des Bildungsausschusses im Landtag wählen zu lassen. Der AfD-Abgeordnete fiel jedoch bei der Wahl zum Bildungsausschuss-Vorsitz durch. Die Ausschussmitglieder der demokratischen Parteien, die allesamt gegen Atzinger als Ausschussvorsitzenden gestimmt hatten, begründeten dies unter anderem mit den dessen kruden, verschwörungsideologischen und rechtsradikalen Aussagen und Positionen. Diese lasse Atzinger, der sich zur Erziehung von Schülern zu rechtsextremen Waffenstudenten berufen fühlt, regelmäßig in den Ausschusssitzungen verlautbaren.

Derzeit bereitet Atzinger, der vom AfD Kreisverband Freyung Grafenbau als Direktkandidat aufgestellt wurde, sich auf die bayerische Landtagswahl 2023 vor. Mit Platz 3 der Niederbayernliste der extrem rechten Partei ist dem Burschenschafter der Einzug ins Parlament so gut wie sicher. Ob der ehemalige Sprecher einer Nazischülerschaft vor hat, auch in Passau erneut eine pflichtschlagende rechtsextreme Schülerelite aufzubauen oder seine Vorstellungen von Erziehung nur auf parlamentarischer Ebene einbringt, bleibt offen.
Fest steht hingegen: #nichtalleburschenschaften sind rechtsextrem oder pflichtschlagend und #notallmensuren tödlich oder führen zu schweren Verletzungen. Aber der ideologische Bedeutungsgehalt des studentischen Fechtens und die reale Befähigung von rechtsextremen Aktivisten zum Kampf mit scharfen Waffen sollte Grund genug sein, kritisch zu überprüfen wie zeitgemäß und erhaltenswert die – im extrem rechten, deutschnationalen burschenschaftlichen Lager weitestgehend konspirativ abgehaltenen – Duelle wirklich sind. Und nicht zuletzt auch, wie geeignet Vertreter dieser Lager als parlamentarische Akteure im Bereich Erziehung und Bildung sein können.
(Stand: 03/2023)
