Gilden, Gesellschaften und das Gruselkabinett der Neuen Rechten: Neues von Hans-Christof Kraus

Knapp zwei Monate sind vergangen, seit unser Artikel “Hans-Christof Kraus – Verbandelt im völkischen Lebensbund” erschienen ist. In diesem haben wir den (fehlenden) Umgang der Universität Passau mit Kraus’ Aktivitäten in und mit der extremen Rechten thematisiert und den endgültigen Beweis erbracht, dass der Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau Mitglied der konspirativen, völkisch-nationalistischen Verbindung “Deutsche Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen” war – oder noch ist.

Anders als die Uni, die lieber die Füße stillhält, anstatt sich endlich mit dem offensichtlichen Rechtsextremismus-Problem in ihren Reihen zu beschäftigen, waren wir in der Zwischenzeit nicht untätig, sondern haben uns weiterhin mit dem Wirken Kraus’ und seinen Positionen beschäftigt. Dabei haben wir einige interessante Entdeckungen gemacht, die wir euch hiermit mehr oder weniger systematisch präsentieren wollen.

Weitere Belege der Gildenmitgliedschaft Hans-Christoph Kraus’

In der Ausgabe der “Blätter der deutschen Gildenschaft” aus dem März 1998 durfte Hans-Christoph Kraus einen Beitrag zur “menschlichen Kultur zwischen geschichtlicher Tradition und revolutionärer Veränderung” beisteuern. Außerdem wird in der ersten Ausgabe des Jahres 1997 “unserem Bbr. H.-Chr. Kraus” für seine Beteiligung an einem Sammelband mit dem Thema “Große Deutsche” gedankt. Die Abkürzung “Bbr.” steht hierbei für “Bundesbruder” und bezeichnet ein Mitglied im völkisch-nationalistischen Lebensbund der “Deutschen Gildenschaft”. Besonders brisant: in diesen Jahren ist Götz Kubitschek (neurechter Multifunktionär und ebenfalls Gildenschafter) als Verantwortlicher der Heidelberger Gilde geführt und veröffentlichte darüber hinaus einen Artikel in der eben erwähnten Ausgabe von 1998, in der auch Kraus einen Beitrag platzieren konnte. Kubitscheks neurechter Thinktank „Institut für Staatspolitik“ wurde erst vor wenigen Tagen vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft – eine Einschätzung, zu der Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen zwar schon vor Jahren gekommen sind, aber vielleicht lässt sich die Universität Passau ja eher von staatlichen Verlautbarungen beeindrucken.

Carl-Schmitt-Gesellschaft

Dass die Neue Rechte eine unverhohlene Begeisterung für Carl Schmitt zeigt, ist wohl nichts Neues: der “Kronjurist des Dritten Reiches” gilt vielen Neofaschist*innen als historisch unverfänglicher Bezugspunkt, sein Konzept der “identitären Demokratie” ist bis heute prägend für extrem rechte Staatskonzeptionen. Zu den antiliberalen, antidemokratischen, antisemitischen und frauenfeindlichen Implikationen von Schmitts Denken wurde an anderer Stelle schon genug geschrieben (z.B. hier: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169581.carl-schmitt-das-ganze-unwahre.html oder hier: https://gegneranalyse.de/personen/carl-schmitt/#), was für uns an dieser Stelle allerdings deutlich interessanter ist, ist Hans-Christof Kraus’ Mitgliedschaft im erweiterten Vorstand der “Carl-Schmitt-Gesellschaft”.

Screenshot von der Website der „Carl-Schmitt-Gesellschaft“ mit Kraus als gelistetes Mitglied des erweiterten Vorstandes

Diese 2010 gegründete Vereinigung fördert ihrem Selbstverständnis nach “die Beschäftigung mit dem Leben und Werk Carl Schmitts ideell und materiell”, sonderlich kritisch ist man dabei nicht: der Fokus liegt darauf, die “Lebendigkeit, Offenheit und Adaptierbarkeit des Lebenswerkes (von Schmitt) zu veranschaulichen”, von einer Aufarbeitung seiner faschistischen Ideologie oder seiner Unterstützung für den Nationalsozialismus ist kaum etwas zu lesen. Kein Wunder also, dass Kraus seine Tätigkeit für diesen Fanclub nicht gern an die große Glocke hängt; ob es einem Geschichtsprofessor so gut zu Gesicht steht,  im Vorstand einer Vereinigung tätig zu sein, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Wegbereiter des Nationalsozialismus zu rehabilitieren, darf nämlich bezweifelt werden.

Inhaltliche Positionierungen

Der Historiker Volker Weiß verweist in einem Facebookposting vom 8. Februar 2020 im Zuge der Debatte um den damaligen Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der CDU-Landtagsfraktion Karl-Eckard Hahn auf die neurechte Zeitschrift “Fragmente 75” aus dem Jahr 1984. In diesem sind drei Beiträge über Vordenker der “Konservativen Revolution” (eine extrem rechte Theorieströmung der 1920er Jahre, die dem Nationalsozialismus den Weg geebnet hat) abgedruckt: einer über Armin Mohler von Karlheinz Weißmann, einer über Arnold Gehlen von Karl-Eckhard Hahn – und einer über Oswald Spengler, verfasst von Hans-Christoph Kraus. Der Beitrag von Kraus ist leider nirgends nachzulesen, aber sicherlich aufschlussreich, gilt doch Spenglers antidemokratisches Pamphlet „Der Untergang des Abendlandes“ bis heute als absoluter Grundlagentext der Neuen Rechten; für eine inhaltliche Positionsbestimmung ausreichend ist jedoch bereits das Vorwort, das alle drei Autoren unterschrieben haben: In diesem versuchen sie sich an einer Bestimmung des Begriffs „konservativ“ und schreiben u.a.: ,Dazu gehört (…) die Grundauffassung, dass Elitenbildung zu den wichtigsten Aufgaben gerade unserer Gegenwart gehört. … außerdem ein unbedingter Antiliberalismus, der in dem schrankenlosen, jedes Gemeinschaftsgefühl zerstörenden Individualismus ein zu bekämpfendes Grundübel unserer Zeit sieht. Und … endlich ein klares und unmißverständliches Bekenntnis zur Nation als der zentralen Bezugsgröße unserer heutigen Identität als Deutsche.”

Einem Mitglied eines völkisch-nationalistischen Lebensbundes, dessen politische Grundsätze erklärtermaßen ein unbedingter Antiliberalismus und Antiindividualismus sind, eine Professur zu verschaffen und bei Beschwerden seitens der Studierendenschaft trotzdem Stein und Bein darauf zu schwören, dass es keine Anzeichen für fehlende Verfassungstreue gibt – das schafft auch nur die Uni Passau. Prost Mahlzeit.

Fazit

Ob sich die Uni durch diese langsam doch recht erdrückende Beweislast irgendwann davon überzeugen lassen wird, dass Kraus als extrem rechter Akteur wahr- und ernstgenommen werden muss? Wir wissen es nicht, bleiben aber eher pessimistisch – wahrscheinlich wird das Thema weiterhin totgeschwiegen und einer ehrlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Die Idee für dieses kompakte Update entstand aber sowieso nicht aus der Hoffnung, dass Kraus‘ Arbeitgeber plötzlich zur Vernunft kommen könnte, sondern vielmehr war es uns ein Anliegen zu zeigen, dass wir unsere Recherchetätigkeiten nicht einstellen, nur weil ein Herr Bartosch sich das in seiner Funktion als Kanzler so wünscht.

Unser Urteil über Hans-Christoph Kraus steht fest, wir erwarten nichts von Universität, Stadt oder Zivilgesellschaft – und trotzdem (oder: gerade deswegen) werden wir ihm und anderen Faschisten in Passau keine ruhige Minute lassen.

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